Stellen Sie sich vor, Ihr Chef sitzt neben Ihnen und korrigiert mitten im Telefonat Ihr Gespräch mit einem Kunden. Oder dieser greift neben Ihnen sitzend am Arbeitstisch zu Ihrer Computer-Maus, um die Präsentation lieber selbst aufzuhübschen. Mikromanagement kann auf lange Sicht unangenehme Folgen für Mitarbeiter haben. Was dahinter steckt und wie sich die übertriebene Kontrolle erkennen lässt, erfahren Sie in diesem Artikel.
Was ist Mikromanagement?
Mikromanagement ist ein Führungsstil, der sich durch stark detailorientiertes Handeln charakterisiert. In der Regel treten Führungskräfte aus ihrer Hierarchieebene und übernehmen kleine Aufgaben ihrer Mitarbeiter. Führen und Delegieren wird plötzlich zu: „Das erledige ich schnell selbst.“
Typisches Mikromanagement zeigt sich etwa in der dauerhaften Kontrolle von Mitarbeitern und in ständigen Rückfragen im Arbeitsalltag. Ein typischer Mikromanager stellt bereits die Aufgaben an die Mitarbeiter sehr detailliert. Angestellte sind unter diesem Führungsstil dazu angehalten, oft Zwischenstände zu den Arbeitsergebnissen zu liefern. Dabei kommt es häufig vor, dass sie eher von der Arbeit abgehalten oder gestört werden, anstatt produktiv arbeiten zu können.
Mikromanagement steht im starken Gegensatz zum New Leadership. Denn bei dieser modernen Art der Mitarbeiterführung geht es darum, Verantwortung zu übertragen und einzelne Angestellte so zu unterstützen, dass sie motiviert und eigenständig Aufgaben erledigen können.
Mikromanagement erkennen: Das sind typische Anzeichen
Müssen Angestellte jede einzelne E-Mail mit dem Chef abstimmen, bevor sie diese herausschicken dürfen? Liegen haargenau ausformulierte Arbeitsanweisungen vor, die das Personal bis ins kleinste Detail einhalten muss? Muss sich jeder Einzelne aus dem Team vor einer Pause abmelden, bevor er frische Luft schnappen darf?
All das können typische Anzeichen sein. Denn das Motto eines Mikromanagers lautet: „Alles geht über meinen Tisch.“ Dahinter stecken meistens Ängste, weil der Manager in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen machte oder schlichtweg kein Vertrauen aufbauen kann. Oft passiert es jungen Führungskräften, dass sie lieber auf Nummer sicher gehen wollen und es nicht schaffen, Aufgaben vertrauensvoll in andere Hände zu geben.
Zwölf Anzeichen für Mikromanagement im Überblick
Die übertriebene Orientierung auf Details erkennen Sie dabei an den folgenden Anzeichen:
- Mikromanager übernehmen die Aufgaben ihrer Mitarbeiter und vermeiden es, zu delegieren.
- Angestellte dürfen keine eigenen Entscheidungen treffen.
- Das Team muss ständig Zwischenergebnisse liefern.
- Mikromanager fokussieren sich auf die Fehler ihrer Mitarbeiter.
- Ein Mikromanager will alles genau wissen.
- Er ist permanent mit den Arbeitsergebnissen unzufrieden.
- Die Führungskraft schafft ihre eigenen Aufgaben nicht mehr und verliert Ziele aus dem Blick.
- Der Mikromanager behält Lob für sich.
- Er erwartet Perfektionismus von Mitarbeitern.
- Mikromanager geben ihr Wissen nicht weiter.
- Projekte sind kaum noch zu schaffen und Deadlines verschieben sich ständig.
- Im Team steigen Krankentage und Fehlzeiten.
Welche Folgen hat Mikromanagement für das Unternehmen?
Wenn Manager keinerlei Vertrauen gegenüber ihren Mitarbeitern zeigen, sinkt auch das Vertrauen auf der anderen Seite. Grundsätzlich sind Mikromanager keine guten Führungskräfte und können zu einem echten Problem werden. Zwar bringen sie viel Potenzial mit, da sie es schaffen, einen genauen Überblick zu behalten und Aufgaben sehr präzise zu erledigen. Für die Beteiligten sind die Folgen im Berufsalltag allerdings eher negativ.
Werfen wir doch einmal einen Blick auf folgendes Beispiel: Ein Angestellter muss jede Woche einen kurzen Bericht mit den aktuellen Markt- und Umsatzzahlen abliefern und diesen anderen Abteilungen zur Verfügung stellen. Da er ein sehr analytischer Typ ist, übernimmt er die Aufgabe gern und hat sogar Ideen, wie sich der Umsatz steigern ließe, da er saisonale Effekte beobachtet hat. Nun sitzt aber der Chef jede Woche im Nacken und überprüft, ob er ja keine Zahlen vergessen habe. Dabei waren sie in der letzten Zeit doch immer richtig.
Bevor der regelmäßige Report im E-Mail-Verteiler landet, möchte der Chef alle Zahlen genau durchgehen und wandelt sogar die Inhalte jede Woche etwas ab. Mit der Zeit ist der Mitarbeiter so genervt, dass er die Aufgabe am liebsten gar nicht mehr machen möchte. Es kostet ihn jede Woche zu viel Zeit. Auch Ideen zur Optimierung bringt er nicht mehr an, da der Mikromanager sie erst gar nicht hören will und eher darauf fokussiert ist, den Bericht rein optisch immer weiter zu perfektionieren.
Mikromanager senken die Arbeitsmoral
Die Folgen? Die intrinsische Motivation sinkt deutlich. Fehlendes Vertrauen führt dazu, dass sich die Produktivität allmählich verringert. Denn das Team führt nur noch den Dienst nach Vorschrift aus. Verbesserungsvorschläge, neue Ideen oder innovative Ansätze bleiben dabei auf der Strecke. Arbeitnehmer leiden unter dem enormen Druck, der Überwachung und haben Angst vor der täglichen Kritik.
In manchen Fällen treiben es Mikromanager in ihrem Optimierungswahn so weit, dass sie selbst oder einer ihrer Mitarbeiter eine Depression oder einen Burnout entwickeln. Mit der Zeit kann es dann passieren, dass Beteiligte innerlich kündigen oder direkt die Kündigung in der Chefetage einreichen. Um das zu vermeiden, kann ein Wechsel vom Mikromanagement hin zum Makromanagement helfen.
Makromanagement löst Mikromanagement ab
Makromanagement ist das positive Gegenstück zum Mikromanagement. Denn ein Manager sollte sich am Großen und Ganzen des Unternehmens orientieren. Im besten Fall behält er die Vision und Mission, den Purpose sowie Marktentwicklungen und Trends im Blick. So kann er flexibel auf Änderungen reagieren. Dabei verfolgen Führungskräfte, die das Prinzip des Makromanagements verinnerlichen, vordergründig die gesetzten Unternehmensziele und kommunizieren sie an das Team. Dadurch entstehen die nötigen Freiräume, in denen die Mitarbeiter diese Ziele motiviert, selbständig und verantwortungsbewusst umsetzen. Denn genau das ist der Geist von New Work, der sich durch folgende Leitlinien manifestiert:
- flexibel bleiben
- projektbasiert arbeiten
- Aufgaben abgeben
- auf Augenhöhe kommunizieren
- zur Eigenverantwortung anleiten
- eine offene Fehlerkultur leben
- viel mehr coachen als streng durchdelegieren
Konflikte zwischen Mikromanagern und Angestellten lösen
Idealerweise erkennt ein Mikromanager selbst, dass er zu viele operative Aufgaben übernommen hat, seine Mitarbeiter unzufrieden sind und er es kaum noch schafft, alles allein zu stemmen. In diesem Fall kann der detailverliebte Chef selbst Strategien entwickeln, um die Zügel mit der Zeit etwas lockerer zu lassen.
Dazu zählt beispielsweise das Abgeben kleiner Aufgaben, ohne das genaue Vorgehen zu definieren. Oft hilft es auch, Kontrollen in einzelnen Prozessschritten zurückzunehmen, die ohnehin schon nach Zufriedenheit des Chefs verlaufen. Wenn eine Führungskraft nach Feedback im Team fragt und sich wieder mehr auf die Kernziele konzentriert, stellen sich oft schon sehr schnell positive Effekte ein. Das ist anfangs vielleicht nicht leicht, aber auch für einen Mikromanager durchaus machbar.
Wie die Erfahrung jedoch zeigt, besitzt die eigene Selbstreflektion eher Seltenheitswert. Unter diesen Umständen ist das Team oder der einzelne Mitarbeiter gefragt. Wichtig dabei ist, sich in den kontrollierenden Chef hineinzuversetzen und Empathie zu zeigen. Warum vertraut er wenig und wovor hat er möglicherweise Angst? Was ist in der Vergangenheit vorgefallen? Auch wenn es nicht leichtfällt, sollten die Beteiligten alle Probleme konkret ansprechen und Wünsche für eine bessere Zusammenarbeit äußern.
Schon mit ein paar kleinen Kniffen entspannen Betroffene die verfahrene Situation. In einem ersten Schritt kann es hilfreich sein, wenn Angestellte den aktuellen Stand ihrer Arbeit sowie Fortschritte und Updates von selbst kommunizieren, anstatt auszuharren und nur auf die nervigen Rückfragen des Chefs zu warten.
Oft ist dabei etwas Mut erforderlich. Zeigen Arbeitnehmer gute Leistungen und vermitteln das, erkennt die Führungskraft, dass sie ihre Mitarbeiter nicht ständig kontrollieren muss. Statt starker Kontrolle, die als Feedback negative Auswirkungen hat, entstehen Vertrauen und Motivation.